Bachkantaten in der Predigerkirche
 
 
BWV 8
Liebster Gott, wenn werd ich sterben?

Soli: S A T B, Coro: S A T B, Corno, Traversa,
Hautbois d'amour I/II, Violino I/II, Viola, Continuo
Erstaufführung: 24. September 1724
Text: 1,6: Kaspar Neumann um 1700; 2-5: unbekannter Dichter
Anlass: 16. Sonntag nach Trinitatis

1. (Coro)
Corno col Soprano, Traversa, Hautbois d'amour I/II, Violino I/II, Viola, Continuo
Liebster Gott, wenn werd ich sterben?
Meine Zeit läuft immer hin,
Und des alten Adams Erben,
Unter denen ich auch bin,
Haben dies zum Vaterteil,
Dass sie eine kleine Weil
Arm und elend sein auf Erden
Und denn selber Erde werden.

2. Aria T
Hautbois d'amour, Continuo
Was willst du dich, mein Geist, entsetzen,
Wenn meine letzte Stunde schlägt?
Mein Leib neigt täglich sich zur Erden,
Und da muss seine Ruhstatt werden,
Wohin man so viel tausend trägt.

3. Recitativo A
Violino I/II, Viola, Continuo
Zwar fühlt mein schwaches Herz
Furcht, Sorge, Schmerz:
Wo wird mein Leib die Ruhe finden?
Wer wird die Seele doch
Vom aufgelegten Sündenjoch
Befreien und entbinden?
Das Meine wird zerstreut,
Und wohin werden meine Lieben
In ihrer Traurigkeit
Zertrennt vertrieben?

4. Aria B
Traversa, Violino I/II, Viola, Continuo
Doch weichet, ihr tollen, vergeblichen Sorgen!
Mich rufet mein Jesus: wer sollte nicht gehn?
    Nichts, was mir gefällt,
    Besitzet die Welt.
    Erscheine mir, seliger, fröhlicher Morgen,
    Verkläret und herrlich vor Jesu zu stehn.

5. Recitativo S
Continuo
Behalte nur, o Welt, das Meine!
Du nimmst ja selbst mein Fleisch und mein
Gebeine,
So nimm auch meine Armut hin;
Genug, dass mir aus Gottes Überfluss
Das höchste Gut noch werden muss,
Genug, dass ich dort reich und selig bin.
Was aber ist von mir zu erben,
Als meines Gottes Vatertreu?
Die wird ja alle Morgen neu
Und kann nicht sterben.

6. Choral
Violino I e Traversa in octava e Hautbois d'amour I e Corno col Soprano, Violino II e Hautbois d'amour II coll'Alto, Viola col Tenore, Continuo
Herrscher über Tod und Leben,
Mach einmal mein Ende gut,
Lehre mich den Geist aufgeben
Mit recht wohlgefasstem Mut.
Hilf, dass ich ein ehrlich Grab
Neben frommen Christen hab
Und auch endlich in der Erde
Nimmermehr zuschanden werde!

 
 
BWV 138
Warum betrübst du dich, mein Herz?

Soli: S A T B, Coro: S A T B, Hautbois d'amour I/II,
Violino I/II, Viola, Continuo
Erstaufführung: 5. September 1723
Text: unbekannter Dichter;
1, 3, 7: unbekannter Dichter 1561
Anlass: 15. Sonntag nach Trinitatis

1. (Coro) e Recitativo A
Hautbois d'amour I/II, Violino I/II, Viola, Continuo
Warum betrübst du dich, mein Herz?
Bekümmerst dich und trägest Schmerz
Nur um das zeitliche Gut?
Ach, ich bin arm,
Mich drücken schwere Sorgen.
Vom Abend bis zum Morgen
Währt meine liebe Not.
Dass Gott erbarm!
Wer wird mich noch erlösen
Vom Leibe dieser bösen
Und argen Welt?
Wie elend ist's um mich bestellt!
Ach! wär ich doch nur tot!
Vertrau du deinem Herren Gott,
Der alle Ding erschaffen hat.

2. Recitativo B
Continuo
Ich bin veracht',
Der Herr hat mich zum Leiden
Am Tage seines Zorns gemacht;
Der Vorrat, hauszuhalten,
Ist ziemlich klein;
Man schenkt mir vor den Wein der Freuden
Den bittern Kelch der Tränen ein.
Wie kann ich nun mein Amt mit Ruh verwalten,
Wenn Seufzer meine Speise und Tränen das Getränke sein?

3. (Coro) e Recitativo S A
Hautbois d'amour I/II, Violino I/II, Viola, Continuo
Er kann und will dich lassen nicht,
Er weiß gar wohl, was dir gebricht,
Himmel und Erd ist sein!
Soprano
Ach, wie?
Gott sorget freilich vor das Vieh,
Er gibt den Vögeln seine Speise,
Er sättiget die jungen Raben,
Nur ich, ich weiß nicht, auf was Weise
Ich armes Kind
Mein bisschen Brot soll haben;
Wo ist jemand, der sich zu meiner Rettung findt?
Dein Vater und dein Herre Gott,
Der dir beisteht in aller Not.
Alto
Ich bin verlassen,
Es scheint,
Als wollte mich auch Gott bei meiner Armut hassen,
Da er's doch immer gut mit mir gemeint.
Ach Sorgen,
Werdet ihr denn alle Morgen
Und alle Tage wieder neu?
So klag ich immerfort;
Ach! Armut, hartes Wort,
Wer steht mir denn in meinem Kummer bei?
Dein Vater und dein Herre Gott,
Der steht dir bei in aller Not.

4. Recitativo T
Continuo
Ach süßer Trost! Wenn Gott mich nicht verlassen
Und nicht versäumen will,
So kann ich in der Still
Und in Geduld mich fassen.
Die Welt mag immerhin mich hassen,
So werf ich meine Sorgen
Mit Freuden auf den Herrn,
Und hilft er heute nicht, so hilft er mir doch morgen.
Nun leg ich herzlich gern
Die Sorgen unters Kissen
Und mag nichts mehr als dies zu meinem Troste wissen:

5. Aria B
Violino I/II, Viola, Continuo
Auf Gott steht meine Zuversicht,
Mein Glaube lässt ihn walten.
    Nun kann mich keine Sorge nagen,
    Nun kann mich auch kein Armut plagen.
    Auch mitten in dem größten Leide
    Bleibt er mein Vater, meine Freude,
    Er will mich wunderlich erhalten.

6. Recitativo A
Continuo
Ei nun!
So will ich auch recht sanfte ruhn.
Euch, Sorgen, sei der Scheidebrief gegeben!
Nun kann ich wie im Himmel leben.

7. Choral
Hautbois d'amour I/II, Violino I/II, Viola, Continuo
Weil du mein Gott und Vater bist,
Dein Kind wirst du verlassen nicht,
Du väterliches Herz!
Ich bin ein armer Erdenkloß,
Auf Erden weiß ich keinen Trost.

 
 
BWV 17
Wer Dank opfert, der preiset mich

Soli: S A T B, Coro: S A T B, Hautbois I/II,
Violino I/II, Viola, Continuo
Erstaufführung: 22. September 1726
Text: unbekannter Dichter; 1: Psalm 50,23; 4: Lukas 17,15-16;
6: Johann Gramann 1530
Anlass: 14. Sonntag nach Trinitatis

Erster Teil
 
1. (Coro)
Hautbois I/II, Violino I/II, Viola, Continuo
Wer Dank opfert, der preiset mich, und das ist der Weg, dass ich ihm zeige das Heil Gottes.

2. Recitativo A
Continuo
Es muss die ganze Welt ein stummer Zeuge werden
Von Gottes hoher Majestät,
Luft, Wasser, Firmament und Erden,
Wenn ihre Ordnung als in Schnuren geht;
Ihn preiset die Natur mit ungezählten Gaben,
Die er ihr in den Schoß gelegt,
Und was den Odem hegt,
Will noch mehr Anteil an ihm haben,
Wenn es zu seinem Ruhm so Zung als Fittich regt.

3. Aria S
Violino I/II, Continuo
Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist,
Und deine Wahrheit langt, so weit die Wolken gehen.
Wüßt ich gleich sonsten nicht, wie herrlich groß du bist,
So könnt ich es gar leicht aus deinen Werken sehen.
Wie sollt man dich mit Dank davor nicht stetig preisen?
Da du uns willt den Weg des Heils hingegen weisen.

Zweiter Teil
 
4. Recitativo T
Continuo
Einer aber unter ihnen, da er sahe, dass er gesund worden war, kehrete um und preisete Gott mit lauter Stimme und fiel auf sein Angesicht zu seinen Füßen und dankte ihm, und das war ein Samariter.

5. Aria T
Violino I/II, Viola, Continuo
Welch Übermaß der Güte
Schenkst du mir!
Doch was gibt mein Gemüte
Dir dafür?
Herr, ich weiß sonst nichts zu bringen,
Als dir Dank und Lob zu singen.

6. Recitativo B
Continuo
Sieh meinen Willen an, ich kenne, was ich bin:
Leib, Leben und Verstand, Gesundheit, Kraft und Sinn,
Der du mich lässt mit frohem Mund genießen,
Sind Ströme deiner Gnad, die du auf mich lässt fließen.
Lieb, Fried, Gerechtigkeit und Freud in deinem Geist
Sind Schätz, dadurch du mir schon hier ein Vorbild weist,
Was Gutes du gedenkst mir dorten zuzuteilen
Und mich an Leib und Seel vollkommentlich zu heilen.

7. Choral
Wie sich ein Vatr erbarmet
Üb'r seine junge Kindlein klein:
So tut der Herr uns Armen,
So wir ihn kindlich fürchten rein.
Er kennt das arme Gemächte,
Gott weiß, wir sind nur Staub.
Gleichwie das Gras vom Rechen,
Ein Blum und fallendes Laub,
Der Wind nur drüber wehet,
So ist es nimmer da:
Also der Mensch vergehet,
Sein End, das ist ihm nah.

 
 
 

 

Texte mit freundlicher Genehmigung übernommen von der Website
The Bach Cantatas (Walter F. Bischof)