Bachkantaten in der Predigerkirche
 
BWV 20
O Ewigkeit, du Donnerwort

Besetzung: Soli: A T B, Coro: S A T B, Tromba, Tromba da tirarsi,
Hautbois I-III, Violino I/II, Viola, Continuo
Erstaufführung: 11. Juni 1724
Text: 1,7,11: Johann Rist 1642;
2-6, 8-10: Umdichtung eines unbekannten Bearbeiters
Anlass: 1. Sonntag nach Trinitatis

Erster Teil
 
1. (Coro)
Tromba da tirarsi col Soprano, Hautbois I-III, Violino I/II, Viola, Continuo
O Ewigkeit, du Donnerwort,
O Schwert, das durch die Seele bohrt,
O Anfang sonder Ende!
O Ewigkeit, Zeit ohne Zeit,
Ich weiß vor großer Traurigkeit
Nicht, wo ich mich hinwende.
Mein ganz erschrocken Herz erbebt,
Dass mir die Zung am Gaumen klebt.

2. Recitativo T
Continuo
Kein Unglück ist in aller Welt zu finden,
Das ewig dauernd sei:
Es muss doch endlich mit der Zeit einmal verschwinden.
Ach! aber ach! die Pein der Ewigkeit hat nur kein Ziel;
Sie treibet fort und fort ihr Marterspiel,
Ja, wie selbst Jesus spricht,
Aus ihr ist kein Erlösung nicht.

3. Aria T
Violino I/II, Viola, Continuo
Ewigkeit, du machst mir bange,
Ewig, ewig ist zu lange!
Ach, hier gilt fürwahr kein Scherz.
Flammen, die auf ewig brennen,
Ist kein Feuer gleich zu nennen;
Es erschrickt und bebt mein Herz,
Wenn ich diese Pein bedenke
Und den Sinn zur Höllen lenke.

4. Recitativo B
Continuo
Gesetzt, es dau'rte der Verdammten Qual
So viele Jahr, als an der Zahl
Auf Erden Gras, am Himmel Sterne wären;
Gesetzt, es sei die Pein so weit hinausgestellt,
Als Menschen in der Welt
Von Anbeginn gewesen,
So wäre doch zuletzt
Derselben Ziel und Maß gesetzt:
Sie müßte doch einmal aufhören.
Nun aber, wenn du die Gefahr,
Verdammter! tausend Millionen Jahr
Mit allen Teufeln ausgestanden,
So ist doch nie der Schluss vorhanden;
Die Zeit, so niemand zählen kann,
Fängt jeden Augenblick
Zu deiner Seelen ewgem Ungelück
Sich stets von neuem an.

5. Aria B
Hautbois I-III, Continuo
Gott ist gerecht in seinen Werken:
Auf kurze Sünden dieser Welt
Hat er so lange Pein bestellt;
Ach wollte doch die Welt dies merken!
Kurz ist die Zeit, der Tod geschwind,
Bedenke dies, o Menschenkind!

6. Aria A
Violino I/II, Viola, Continuo
O Mensch, errette deine Seele,
Entfliehe Satans Sklaverei
Und mache dich von Sünden frei,
Damit in jener Schwefelhöhle
Der Tod, so die Verdammten plagt,
Nicht deine Seele ewig nagt.
O Mensch, errette deine Seele!

7. Choral
Solang ein Gott im Himmel lebt
Und über alle Wolken schwebt,
Wird solche Marter währen:
Es wird sie plagen Kält und Hitz,
Angst, Hunger, Schrecken, Feu'r und Blitz
Und sie doch nicht verzehren.
Denn wird sich enden diese Pein,
Wenn Gott nicht mehr wird ewig sein.

Zweiter Teil
 
8. Aria B
Tromba, Hautbois I e Violino I, Hautbois II e Violino II, Hautbois III e Viola all' unisono, Continuo
Wacht auf, wacht auf, verlornen Schafe,
Ermuntert euch vom Sündenschlafe
Und bessert euer Leben bald!
Wacht auf, eh die Posaune schallt,
Die euch mit Schrecken aus der Gruft
Zum Richter aller Welt vor das Gerichte ruft!

9. Recitativo A
Continuo
Verlass, o Mensch, die Wollust dieser Welt,
Pracht, Hoffart, Reichtum, Ehr und Geld;
Bedenke doch
In dieser Zeit annoch,
Da dir der Baum des Lebens grünet,
Was dir zu deinem Friede dienet!
Vielleicht ist dies der letzte Tag,
Kein Mensch weiß, wenn er sterben mag.
Wie leicht, wie bald
Ist mancher tot und kalt!
Man kann noch diese Nacht
Den Sarg vor deine Türe bringen.
Drum sei vor allen Dingen
Auf deiner Seelen Heil bedacht!

10. Aria (Duetto) A T
Continuo
O Menschenkind,
Hör auf geschwind,
Die Sünd und Welt zu lieben,
Dass nicht die Pein,
Wo Heulen und Zähnklappen sein,
Dich ewig mag betrüben!
Ach spiegle dich am reichen Mann,
Der in der Qual
Auch nicht einmal
Ein Tröpflein Wasser haben kann!

11. Choral
O Ewigkeit, du Donnerwort,
O Schwert, das durch die Seele bohrt,
O Anfang sonder Ende!
O Ewigkeit, Zeit ohne Zeit,
Ich weiß vor großer Traurigkeit
Nicht, wo ich mich hinwende.
Nimm du mich, wenn es dir gefällt,
Herr Jesu, in dein Freudenzelt!

 
 
BWV 175
Er rufet seinen Schafen mit Namen

Besetzung: Soli: A T B, Coro: S A T B, Tromba I/II, Flauto I-III,
Violino I/II, Viola, Violoncello piccolo solo, Continuo
Erstaufführung: 22. Mai 1725
Text: Christiane Mariane von Ziegler 1728; 1: Johannes 10,3;
5: Johannes 10,6; 7: Johann Rist 1651
Anlass: 3. Pfingstfesttag

1. (Recitativo) T
Flauto I-III, Continuo
Er rufet seinen Schafen mit Namen und führet sie hinaus.

2. Aria A
Flauto I-III, Continuo
Komm, leite mich,
Es sehnet sich
Mein Geist auf grüner Weide!
    Mein Herze schmacht,
    Ächzt Tag und Nacht,
    Mein Hirte, meine Freude.

3. Recitativo T
Continuo
Wo find ich dich?
Ach, wo bist du verborgen?
O! Zeige dich mir bald!
Ich sehne mich.
Brich an, erwünschter Morgen!

4. Aria T
Violoncello piccolo, Continuo
Es dünket mich, ich seh dich kommen,
Du gehst zur rechten Türe ein.
Du wirst im Glauben aufgenommen
Und musst der wahre Hirte sein.
Ich kenne deine holde Stimme,
Die voller Lieb und Sanftmut ist,
Dass ich im Geist darob ergrimme,
Wer zweifelt, dass du Heiland seist.

5. Recitativo A B
Violino I/II, Viola, Continuo
Alto
Sie vernahmen aber nicht, was es war, das er zu ihnen gesaget hatte.
Basso
Ach ja! Wir Menschen sind oftmals den Tauben zu vergleichen:
Wenn die verblendete Vernunft nicht weiß, was er gesaget hatte.
O! Törin, merke doch, wenn Jesus mit dir spricht,
Dass es zu deinem Heil geschicht.

6. Aria B
Tromba I/II, Continuo
Öffnet euch, ihr beiden Ohren,
Jesus hat euch zugeschworen,
Dass er Teufel, Tod erlegt.
    Gnade, Gnüge, volles Leben
    Will er allen Christen geben,
    Wer ihm folgt, sein Kreuz nachträgt.

7. Choral
Nun, werter Geist, ich folg dir;
Hilf, dass ich suche für und für
Nach deinem Wort ein ander Leben,
Das du mir willt aus Gnaden geben.
Dein Wort ist ja der Morgenstern,
Der herrlich leuchtet nah und fern.
Drum will ich, die mich anders lehren,
In Ewigkeit, mein Gott, nicht hören.
Alleluja, alleluja!

 

Texte mit freundlicher Genehmigung übernommen von der Website
The Bach Cantatas (Walter F. Bischof)